Geduld ist nicht meine Stärke. Das fängt schon an der Supermarktkasse an oder wenn die Bahn mal wieder Verspätung hat. Vor allem war ich damit aber in den oft – gefühlt – endlosen Sitzungen meiner Jahre in der Politik konfrontiert. Immer neue Redebeiträge zu demselben Thema, oft ohne Unterschied, frei nach dem Grundsatz, alles wurde schon gesagt, aber noch nicht von mir. Das zermürbt und nervt, denn ich liebe Klarheit und bringe die Dinge am liebsten schnell auf den Punkt. Was passierte mit mir? Ich war gestresst. Aber welche Wahl hatte ich? Die Sitzungen musste ich durchhalten, das gehörte zum Geschäft.
Aber meine innere Haltung konnte ich ändern. Die Situation annehmen, wie sie ist und den Fokus auf das legen, was ich selber gestalten kann.
Es gibt so vieles im Leben, was uns stressen kann. Die kleinen Dinge, wie das Zuspätkommen des Freundes oder das schlechte Wetter im Urlaub, aber auch große Veränderungen unserer Lebenssituationen. Und eine solche Veränderung ist das Älterwerden. Es verlangt uns viel ab. In einer Gesellschaft, die uns suggeriert, dass alles machbar ist, auch die ewige Jugend. Doch mit zunehmendem Alter werden wir mit dem Gegenteil konfrontiert. Die Falten, die nicht mehr weggehen mit der tollen AntiAging Creme, die Krankheiten und Verletzungen, die viel langsamer heilen oder die geringere Belastbarkeit, die Müdigkeit.
Aber wir sind dem nicht ausgeliefert. Auch hier gilt: wir können unsere innere Haltung ändern und lernen die Veränderungen so anzunehmen, wie sie sind. Die Bewertung rausnehmen. Das ist Gelassenheit!
Studien haben ergeben, dass wir das schon automatisch machen, wenn wir älter werden. Sie führen das auf die große Lebenserfahrung älterer Menschen zurück. Doch können wir auch bewusst etwas dafür tun, gelassener zu werden.
Wie kann uns Yoga helfen?
Schon im Yogasutra von Patanjali ist „Vairagya“ – Gleichmut ein zentrales Prinzip. Es ist verbunden mit „Abhyasa“ – dem beharrlichen Üben. Das heißt, dass wir die Yogapraxis als Übungsraum für unser tägliches Leben nutzen können, indem wir regelmäßig auf der Matte unsere Asanapraxis praktizieren. Uns dabei aber in Gleichmut und Gelassenheit üben, wenn etwas nicht so geht, wie wir es uns wünschen, unsere Asanapraxis modifizieren und dann das machen, was geht.
Aber auch Atemtechniken, wie der tiefe Atem in den Bauch oder die Verlängerung der Ausatmung, lassen uns mehr zu unserer inneren Ruhe finden.
In der Meditation können wir durch die Konzentration auf unseren Atem oder unseren Körper lernen, uns zu fokussieren. Damit können wir dem Stress seine Kraft nehmen und mehr zu unserer inneren Mitte finden.
Der Circle of influence
Das Älterwerden anzunehmen ist der erste Schritt zu mehr Gelassenheit. Aber das Modell des „Circle of influence“ von Stephen R. Covey geht noch einen Schritt weiter.
Demnach sind wir umgeben von zwei konzentrischen Kreisen:
- Dem Circle of concern: den Sorgen, Ängsten, oft negativen Gedanken
- Dem Circle of Influence: alles das, auf das wir Einfluss haben
Wenn wir unsere Gedanken auf das lenken, auf das wir Einfluss haben, und nicht unsere Zeit damit verbringen, uns darüber zu grämen, was früher mal besser war oder was nicht mehr geht, werden wir mit dem Älterwerden viel besser zurechtkommen und gelassener werden. Es geht darum, das zu genießen, was geht. Die Gedanken auf das zu lenken, was wir beeinflussen können. Und das ist unsere innere Haltung und die Veränderung der inneren Ausrichtung. Statt zu jammern und sich zu sorgen, sollten wir annehmen und selbst aktiv werden, indem wir dem Altern angepasste Lösungen suchen. Nicht resignieren, sondern neue Wege ausprobieren.
Also wenn du das nächste Mal beginnst darüber zu lamentieren, dass dein Körper so lange braucht, bis eine Verletzung heilt, mache dir bewusst, dass du es nicht ändern kannst. Aber du kannst deine Einstellung ändern, indem du es annimmst und dich dem zuwendest, was du gestalten kannst. Statt sportlicher Leistung vielleicht mehr Meditation oder endlich Zeit für die Wunder der Natur. Den Gesang eines Vogels oder das Rauschen der Bäume oder die Ruhe eines Sees. Oder Gentle Yoga statt Vinyasa.
Mehr Anregungen bekommst du auch in meinem 4 Wochenkurs – Positive Aging Yoga.
So kann sich Neues eröffnen, das du selbst in der Hand hast. Damit wird dein Sorgenkreislauf immer kleiner und dein Einflussbereich auf ein gutes Leben wächst.
Oder wie es der Theologe und Philosoph Reinhold Niebuhr ausdrückt:
„Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Deine Sabine