Die Angst vor dem Altern  – Wie du lernst, gelassener mit deinen Sorgen umzugehen

🌟Vor ein paar Tagen bin ich 68 Jahre alt geworden. Schon wieder ein Jahr älter – und mir wird bewusst, dass die Sommer meines Lebens gezählt sind. Statistisch gesehen habe ich vielleicht noch 17 Jahre vor mir. Doch wie werden diese Jahre aussehen? Wie lange werde ich noch gesund und fit sein? Wie lange kann ich meinen Leidenschaften nachgehen? Was geht noch – und wie lange? Und was ist, wenn es nicht mehr geht?

Diese Gedanken kommen immer wieder. Das ist normal, denn mit zunehmendem Alter wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass manches nicht mehr so funktioniert wie früher oder dass Krankheiten auftreten.

Sich Sorgen machen – aber wozu eigentlich?

Natürlich ist es sinnvoll, sich Gedanken über das finanzielle Auskommen im Alter zu machen, zu planen und sich so ein Gefühl der Sicherheit zu schaffen. Ich habe auch eine Liste mit Wünschen, was ich in meinem Leben noch erleben möchte – vor allem Reisen in ferne Länder, noch etwas sehen von der Welt. Und das schiebe ich nicht mehr auf, denn jetzt bin ich noch fit. Wer weiß, was in den nächsten Jahren ist.

Doch vieles lässt sich nicht planen oder beeinflussen. Und trotzdem sind die Sorgen da. Vor allem nachts, wenn ich wachliege und der Kopf nicht zur Ruhe kommt. Da sind sie dann: die Angst vor Krankheit, Unbeweglichkeit, Einsamkeit, Schmerzen oder geistigem Verfall. Die Sorge, irgendwann nicht mehr in meiner Wohnung im fünften Stock ohne Lift leben zu können. Die Angst vor den letzten Jahren in einem Altenheim…

Warum Sorgen nicht schützen – sondern erschöpfen

Oft haben wir Angst vor dem Ungewissen. Wir stecken voller Sorgen. Sie sind die Vorstufe der Angst, rauben Zeit, fressen Energie und trüben unsere Sicht auf das Leben. Der Psychologe Leon Windscheid sagt, dass Menschen sich Sorgen machen, um sich vor größerer Angst zu schützen. Wenn wir uns sorgen, reisen wir gedanklich in die Zukunft: Was könnte alles schiefgehen? Indem wir uns damit beschäftigen, geben wir uns das Gefühl, etwas zu tun – eine Form von Kontrolle über das, was kommen könnte.

Doch genau diese permanente Sorgenhaltung betäubt die eigentliche Angst. Wir halten uns in einem angespannten Dauerzustand, fühlen uns vorbereitet, halten aber die Angst nur auf Abstand. Windscheid sagt dazu: Nur die Konfrontation mit unseren Ängsten lässt sie tatsächlich weniger werden.

Sich der eigenen Angst stellen

Was steckt hinter deiner Angst? Das ist ganz individuell. Manche fürchten sich vor Schmerzen oder Unbeweglichkeit, andere vor Einsamkeit oder Bedeutungslosigkeit.

Es kostet Überwindung, sich der eigenen Angst zu stellen – sie ganz bewusst zuzulassen. Das bedeutet, sich die beängstigende Situation so bildlich, so konkret und so intensiv wie möglich vorzustellen. Es geht nicht darum, die Angst zu verdrängen oder durch ständiges Grübeln zu betäuben, sondern sie bewusst zu durchleben, rät der Psychologe Prof. Jürgen Margraf.

Mit der Zeit verändert sich dadurch die Bewertung der Angst. Du erkennst, dass du vieles nicht in der Hand hast – und genau darin liegt die Möglichkeit, loszulassen.

Achtsamkeit als Schlüssel zur Gelassenheit

Achtsamkeit ist die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Augenblick zu richten und innere Erfahrungen anzunehmen, wie sie sind.
Achtsamkeit kann einen Raum öffnen, in dem Angst einfach da sein darf – ohne Bewertung und so vielen Sorgen über Zukunft und Vergangenheit die Schwere nehmen. Sie hilft nachweislich bei Angst, Depressionen und sogar bei körperlichen Krankheiten.

Wir können uns nicht auf alles vorbereiten. Deshalb macht es wenig Sinn, unsere Gedanken mit Sorgen und Negativem zu belasten. Ängste da sein zu lassen, anstatt in ein Sorgenkarussell abzutauchen, ist der Weg. Und dazu ist es hilfreich, sich regelmäßig in Achtsamkeit zu üben.

Eine kleine Einladung zur Achtsamkeit 🌸

Gönn dir einen Moment, um Achtsamkeit auszuprobieren.
Lerne, im Augenblick zu sein, deine Gedanken kommen und gehen zu lassen, ohne dich von ihnen mitreißen zu lassen. So kannst du leichter loslassen, was dich belastet – und spüren, wie Ruhe und Gelassenheit langsam Platz finden.

Wenn du das nächste Mal spazieren gehst, lass deine Kopfhörer zu Hause und öffne dich ganz für deine Umgebung. Versuche, an nichts Bestimmtes zu denken.

Wo bist du? In der Natur oder in der Stadt?
Was siehst du? Was hörst du?
Wie fühlt sich der Boden unter deinen Füßen an? Wie setzt du deine Füße auf?
Wie fühlt sich die Luft auf deiner Haut an?
Was riechst du? Pflanzen? Abgase? Feuchtigkeit? Asphalt?

So schulst du deine Wahrnehmung, ohne zu bewerten. Mit der Zeit wirst du merken: Deine Sorgen ziehen langsamer auf, du wirst ruhiger und gelassener – auch im Umgang mit deinen Ängsten.

Zum Schluss

Das Alter ist kein Feind, den du bekämpfen musst, sondern eine Einladung, bewusster zu leben. Es ist eine Zeit, in der du lernst, loszulassen, Vertrauen zu haben und das Wesentliche zu sehen. Wenn du lernst, deine Ängste anzunehmen, öffnet sich ein Raum für Gelassenheit – und du kannst das Leben so erleben, wie es jetzt ist: im Augenblick.
Deine Sabine